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Beitrag vom 17.02.2016
Jeanne Added – Be Sensational
Christina Mohr
Jeanne Added ist Französin, aber wer von ihr lockerleichte Popchansons erwartet, wird enttäuscht – oder besser: überrascht. Mit ihrem Debütalbum "Be Sensational" changiert die Multiinstrumentalistin zwischen Jazz und Elektronik...
Was für ein Einstieg: "A war is coming / and we´re stuck here / here with our mini pains / with our little tears", diese desillusionierenden und gleichzeitig höchst aktuellen Zeilen skandiert die aus Reims stammende Jeanne Added, dazu erklingt brachialer, stampfender Elektrosound. Beeindruckend, beunruhigend und aufrüttelnd beginnt das Album "Be Sensational", das zu den vielversprechendsten Debüts dieses Frühjahrs gehört.
Die musikalische Laufbahn der 35-jährigen begann mit dem Studium klassischen Gesangs, Cellos und Komposition an der renommierten Hochschule in Reims. Später schrieb sie sich in Paris für Jazz-Gesang und Tanz ein, doch von ihren klassischen Wurzeln ist nicht mehr viel zu spüren – sie selbst behauptet sogar, "gar nichts". Aber ganz verschwunden sind ihre universitär ausgebildeten Fähigkeiten natürlich nicht: Jeanne Addeds popmusikalische Inkarnation ist von außergewöhnlichen Strukturen geprägt, die in Richtung Rock-Crossover oder ambitionierten Elektro ausschlagen, dabei jedoch im Popmodus bleiben. Vergleichbar sind Songs wie das intensive "Lydia" oder der suggestive Track "Miss It All" am ehesten mit Acts wie The Knife/Karin Dreijer aus Schweden oder den Hits von Achtziger-Wave-Ikone Anne Clark ("Sleeper in Metropolis"), aber Jeanne Added verliert sich weder in elektronischer Avantgarde á la The Knife noch in der apokalyptischen Endzeitstimmung Clarks. Interessant sind die vielfältigen Beats, die Jeanne Added mal elastisch wobbeln lässt ("It"), dann geradezu statisch einsetzt ("Look At Them") – sich aber nie wiederholt.
Addeds Pop-Appeal hat seinen Ursprung möglicherweise in der Freundschaft zum Pariser Duo The Dø: Olivia Merilahti und Dan Levy luden Jeanne vor fünf Jahren als Tour-Support ein, Levy produzierte auch ihre erste EP. Mit The Dø schnupperte Jeanne Added in den Pop-Betrieb hinein, in dem sie sich offensichtlich wohlfühlt, auch wenn ihre eigenen Songs wesentlich sperriger sind als die Merilahti/Levy-Platten. Für die Produktion von "Be Sensational" entschied sich Added für eine eher reduzierte Ausstattung: Sie singt, spielt Bass und Keyboards, Dan Levy zeichnet für Drums und Programming verantwortlich, Marielle Chatain ist als Gaststimme und zusätzliche Percussionistin zu hören. Klarer Fokus also auf Synthie/Drums/Vocals, stilistisch reicht die Bandbreite von Balladen bis zu umwerfenden Dance-Smashern wie "Back to Summer".
AVIVA-Tipp: Jeanne Added präsentiert sich mit "Be Sensational" als ambitionierte Gratwandlerin zwischen Pop, Jazz, Elektro und Crossover – und als Meisterin der Verknappung: Nach zehn Stücken ist Schluss, konträr zu so manch anderem überladenen Debüt. Wirklich "sensational"!
Jeanne Added
Be Sensational
CD, VÖ 19.02.2016, zehn Tracks, naïve/Indigo
Jeanne Added im Netz: jeanneadded.com